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Roulette Forum

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Geschrieben

.

Eine kleine Stadt im Norden.

Ein backsteinrotes Gebäude im Grünen.

Hier ist mehr Beton verbaut, als Backstein.

Aber die sprichwörtliche Betonkopfmentalität der Deutschen ist hier im Norden nicht anzutreffen.

Und auch der Behördenmief scheint hier gelüftet.

Es ist das Gericht von Norderstedt.

Genauer gesagt das Amtsgericht.

Einen Tag lang war dieses Gericht im Blickwinkel der Spielerszene.

Vielmehr im Blickwinkel der Spielbetreiber und der Veranstalter.

Ein Gerichtsurteil wurde hier gefällt.

Am 5. November 2008.

Zur Mittagszeit.

Ein Hoffnung weckendes Gerichtsurteil.

Ein Urteil im Sinne der Veranstalter von Pokerturnieren erging beim Amtsgericht Norderstedt

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Am 5. November 2008 könnte eine Hamburger Rechtskanzlei die Wende des deutschen Rechts eingeläutet haben, indem sie erstmals in der deutschen Rechtsgeschichte einen Anbieter eines Pokerturniers mit Sachpreisen erfolgreich vertreten hat! Und das gefällte Urteil ist nachhaltig.

Nachhaltig für die Zukunft.

Nachhaltig vielleicht für viele kommenden Urteile, die in diesem Land, der Bundesrepublik Deutschland, gesprochen werden.

Das Gericht hatte die deutsche Strafrechtslage und die ihr abzuleitende Problematik erkannt, welche rechtlichen Schwierigkeiten sich ergeben und was für Folgeprobleme in der Rechtssprechung bei sogenannten Sachturnieren aufkommen, wenn man aus dem Rechtsgebiet der Sportwettenvermittlung im Sinn des Deutschen Glücksspielstaatsvertrags statt die Grundsätze der dort gefällten Urteile zu übernehmen, den Sachverhalt beim Pokern anders aburteilt. Das Amtsgericht Norderstedt kommt zu einem Schluss, der der Rechtsauffassung des AG Baden-Baden, des AG Fürstenfeldbruck, des VG Neustadt und des OVG Münster naheliegt.

Somit gibt es in diesem Sinn bereits eine ganze Reihe sich ähnelnder Urteile, die die Rechtssituiation zu festigen beginnen.

Schon Ende Oktober ist einem Veranstalter von Turnieren auf dessen vor dem VG Berlin eingelegten Widerspruch hin, die Fortsetzung seiner Veranstaltungen gewährt worden, nachdem eine ordnungsamtliche Verfügung die Einleitung des Gerichtsverfahrens in's Rollen gebracht hatte, und der "Pokerwelle" das Austragen von Turnieren kurzerhand verbot.

Der Veranstalter von Sachpreisturnieren, dessen Turniere im Jahr 2006 in Form von KO-Runden als Pokerpartien bis zu einem Finale ausgetragen wurden, wurde freigesprochen.

Den Turnieren lag die spieltypische Struktur zu Grunde, innerhalb derer One-TableSit 'n Go's gespielt werden. Ein Dutzend Vorrundensieger erreichen das Finale, was als FreezeOut für den Erhalt der Preise an mehreren Tischen entschieden wurde.

Die Staatsanwaltschaft in Norderstedt war der Meinung, dass die Mehrfachzulassung ein und derselben Person zum Turnier strafrechtlich relevant gewesen sei, indem ausgeschiedene Teilnehmer der Vorrunden sich für einen Geldbetrag erneut zur Qualifikation für das Finalspiel einkaufen konnten; genau dies sei eine zum Glücksspiel verführende, Spielsucht fördernde Straftat gem. § 284 StGB, für die dem Veranstalter, der durch die seinerzeitige Entscheidung heute finanziell ruiniert ist, zudem im ungünstigsten Fall ein Jahr Haft droht - ein Umstand, der auch heute, nach dem Urteil noch schwebt, da Staatsanwaltschaft Berufung einlegen kann.

Das Gericht hingegen hatte verfassungsrechtliche Bedenken in erheblichem Umfang.

§ 284 StGB setze voraus, der Angeklagte handele, ohne im Besitz einer behördlichen Genehmigung zu sein. Rechtsgrundlage war bis Ende des Jahres 2007 der Lotteriestaatsvertrag. Das Bundesverfassungsgericht hatte diese gesetzliche Regelung jedoch für verfassungswidrig erklärt, wodurch die Ausführungsgesetze der Bundesländer nichtig seien. Wenn die Durchsetzung eines Glücksspielmonopols gegen Verfassungsrecht verstößt, kann das Strafrecht zur Durchsetzung dessen jedoch nicht angewendet werden.

Der Staat könne ja wohl kaum eine Erlaubnis

unter Berufung auf ein verfassungswidriges Gesetz verlangen

und parallel dazu Betroffene bestrafen,

die eine solche behördliche Erlaubnis nicht haben.

Zudem sei hervorzuheben, dass die Preise von Sachturnieren nicht seitens der Spieler, sondern von Sponsoren finanziert werden.

In einer solchen Konstellation der Wettbewerbsbedingungen

fehlt es im Sinn des §284 StGB an der Voraussetzung eines Einsatzes,

da ein Einsatz nur dann im gesetzlichen Sinn vorliegen kann,

wenn mit diesem der spätere Gewinn maßgeblich finanziert wird.

Auch obgleich den Teilnehmern die Möglichkeit gegeben wurde, sich mehrfach an dem Wettbewerb zu beteiligen,

sei der gesetzlich relevante Strafumstand nicht erüllt.

Voraussetzung für einen strafrechtlichen Umstand

muss seit dem Norderstedter Urteil, das als Grundsatzurteil angesehen wird,

immer ein kausaler Zusammenhang zwischen

einer Zahlung für die Beteiligung an einem Wettbewerb

und die klar ersichtliche Finanzierung des Gewinnobjekts sein.

Im Übrigen sei der Aspekt der Mehrfachteilnahme an derselben Veranstaltung unerheblich, da nicht einsehbar sei, worin der Unterschied bestehe, ob ein Spieler zugleich an mehreren Veranstaltungen teilnimmt, was ihm gesetzlich gestattet ist, oder ob er mehrmals hintereinander teilnimmt an ein und derselben.

Zu zahlende Beträge sind nach diesem Urteil zulässig, wenn sie zum Bestreiten der Kosten einer Veranstaltung dienen, oder wenn sie eher als Eintrittsgeld und weniger als Entgeld im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 1 des Glücksspielvertrags anzusehen sind. Also rollen sie in Berlin weiter, die Kleinwagen und Nobelkarossen, Flüge in die Spielerparadiese und die gesponsorten Traumpreise der Jubilarfirmen der Bundeshauptstadt.

Bravo, Norderstedt!

Eine kleine Stadt macht von sich Reden.

:daumen:

Die Urteilsbegründung könnte ein Meilenstein des Rechts sein.

NACHTFALKEüberBERLIN

.

Geschrieben (bearbeitet)

Na super, alles was ein deutscher Pokerspieler davon hat ist daß in Zukunft VIELLEICHT diese lächerlichen Sachpreistourniere wieder legal sind...

Sorry, aber ein ernsthafter Spieler dessen Bankroll mehr als nur ein paar Euro Fuffzig sind gibt sich mit diesen lächerlichen Sachpreis-3-Hände-pro-Stunde-Donkaments mit im besten Fall 75% Auszahlung der Buyins nicht ab, also betrifft dieses Urteil wenn überhaupt halt die Freerollspieler und Bettelstudenten. => Wayne..... die einzigen die Wirklich einen Vorteil dieses Urteils haben sind die ganzen Anbieter dieser "Pokertourniere" (ja, die Anführungszeichen stehen mit Absicht da....), die können lustig weiter ihren Rippoff betreiben.

bearbeitet von fussel
Geschrieben
"...alles was ein deutscher Pokerspieler davon hat ist daß in Zukunft VIELLEICHT diese lächerlichen Sachpreistourniere wieder legal sind..."

Du hast das nicht verstanden, Fussel.

Um das Urteil selbst geht es nicht.

Es geht um den Weg, der hier beschritten wird.

Es ist eine erste Markierung auf einem bevorstehenden Weg.

Der Widerspruch in der deutschen Rechtslage, jemanden zu ruinieren, dem man eine Genehmigung abverlangt, die zurzeit illegal ist.

Die Sachpreisturniere sind nicht entscheidend.

Es sind die kleinen Stücke, die aus dem Gesamtkonzept bröckeln, und die den Glückspielvertrag der Bundesrepublik Deutschland irgendwann ad absurdum führen werden.

Ohne diese Urteile wird das nicht möglich sein.

Das ist der Rechtsweg.

Nachtfalke.

  • 4 weeks later...
Geschrieben

Leider ist es jedoch so, dass in den letzten Monaten bereits einige Sachpreis-Turnier-Veranstalter den Bach runter gegangen sind, da vorherige Gerichte eine fehlerhafte Rechtsauffassung hatten und somit die weitere Durchführung der Veranstaltung untersagt wurde.

Insbesondere die Argumentation der Mehrfachteilnahme, die immer wieder untersagt wird bzw. wurde, ist Grund für den massiven Umsatzeinbruch dieses Geschäftszweiges und somit der Einstellung des Geschäftsbetriebes.

Zugegebner Maßen verfolge ich nicht jedes Verfahren zum Thema Poker. Sei es bzgl. der Legalität der Sachpreisturniere oder aber der Einstufung als Glückspiel.

In jedem Fall wird immer wieder die "Verhinderung der Spielsucht" durch die "Verbannung" des Pokerspiels in staatliche Casinos also Argument aufgeführt.

Was mich jedoch wundert ist, dass von Seiten der Poker-Befürworter bzw. Sachpreis-Befürworter in den entsprechenden Gerichtsverfahren nie ein Vergleich zu den Spielautomaten aufgeführt wurde. Denn diese sich nicht in staatlichen Spielbanken befindlichen sondern in jeder Kneipe hängenden Spielautomaten können mit unendlich Geld wiederholt gefüttert werden.

Im Unterscheid zu den Sachpreisturnieren, bei denen nur ein kostendeckender Beitrag -in manchen Urteilen mit max. € 15 benannt- gezahlt wird, wird der Gewinn bei den Spielautomaten eben durch diese Einzahlungen finanziert. Ein entsprechender Schutz zum Vermeiden einer evtl. entstehenden Spielsucht (Versagen der Teilnahme durch den Veranstalter) bsteht bei Spielautomaten ebenfalls nicht.

Keine Frage, der Staat erhält bei den Spielautomaten -im Gegenzug zu den Pokerveranstaltungen- einen entsprechend hohen Steueranteil aus den Einnahmen, weshalb er beim Glücksspielstaatsvertrag die Spielautomaten wohl irgendwie "übersehen" hat.

Allerdings ist es so, dass die Begründungen aller gesprochenen Urteile gegen Poker außerhalb staatlicher Spielbanken der bestehenden Handhabung bei Spielautomaten widersprechen. Warum wird da nicht gegen vorgegangen?

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